STRATEGIE

OHNE NACHHALTIGKEIT GEHT BEI FONDS (FAST) NICHTS

So titelte Morningstar im Februar und berichtete, dass die verwalteten Vermögen in Nachhaltigkeitsfonds im Jahr 2019 um 56 Prozent gestiegen seien. Nachhaltige Geldanlagen entwickeln sich damit mehr und mehr von der Nische zum „Mainstream“, zunehmend angetrieben auch von Politik und Regulierung, wie zum Beispiel im Rahmen der MiFID II Novelle und des von der Bafin Ende 2019 veröffentlichten „Merkblatts zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken“.

Über den Erfolg von nachhaltigen Investments wird seit langem unter Researchern und Praktikern intensiv diskutiert. Mehr als 2.000 empirische Studien konnten bisher keine wirklich eindeutigen Ergebnisse liefern. Konsens scheint allerdings darin zu bestehen, dass auf lange Sicht keine Nachteile gegenüber „konventionellen“ Geldanlagen zu erwarten sind. Gemäß einer Studie des CFA Institute aus dem Jahr 2019 ist die Skepsis gegenüber nachhaltigen Investments vor allem unter deutschen Investoren recht hoch ausgeprägt. Als wesentlicher Grund für die Zurückhaltung scheint neben der Performancefrage auch eine bisher nicht vorhandene, einheitliche Taxonomie zu gelten. Die unterschiedlichen Ansätze der zahlreichen Anbieter von ESG-Ratings in Bezug auf Methodologie, Aggregation und Gewichtung der Kriterien tragen dabei zusätzlich zur Verunsicherung bei. Im Gegensatz zu Credit-Ratings, bei denen die Korrelation der Einstufungen über die Ratingagenturen hinweg bei 0,99 liegt, korrelieren ESG-Ratings nur mit einem Faktor von circa 0,60 miteinander, wie es in einem Papier des Massachusetts Institute of Technology und der University of Zurich heißt.

Allerdings muss man sich fragen, ob das, was das DIN-A4-Blatt oder den Standardcontainer erfolgreich gemacht haben, auch für Kapitalanlagen gelten sollte? In einem 2019 im Journal of Portfolio Management erschienenen Working Paper mit dem Titel „Value by Design?“ zeigen die Verfasser auf, dass es allein für Value-Strategien mehr als 3.000 Implementierungsvarianten (sogenannte „Design Choices“) gibt. Warum soll das nicht auch für ESG-Strategien gelten?

Gemäß einer neueren Cerulli-Studie „Environmental, Social and Governance (ESG) Investing in the United States” verfolgen institutionelle Investoren bei nachhaltigen Investments mehrheitlich einer der folgenden Pfade, die jeweils ein eigenes Nutzenversprechen beinhalten:
    1
    Negative Screening
    Value Alignment
    2
    ESG-Integration
    Value Enhancement
    3
    Positive Screening
    Value Enhancement
    4
    Thematic Investment        
    Value Enhancement +  / ESG-Impact
    5
    Impact Investment        
    Value Enhancement + / ESG-Impact
    6
    Active Ownership        
    Value Alignment + / Value Enhancement + / ESG-Impact
Ausschlussverfahren („Negative Screening“) sind immer noch einer der präferierten Wege zur Umsetzung von ESG-Investments, weil sich die individuellen Wertvorstellungen durch den Ausschluss von Sektoren und Einzelwerten damit relativ leicht umsetzen lassen. Allerdings können Ausschlüsse und fixe Taxonomien auch erhebliche Nachteile bergen, wie man am Beispiel des Österreichischen Umweltzeichens (ÖUZ) zumindest für die jüngere Vergangenheit sehen kann. Bei Anwendung aller Kriterien auf den STOXX 600 Europa verbleiben circa 550 Unternehmen im Universum. Gewichtet man diese entlang der STOXX-Indexkriterien neu, ergibt sich im Vergleich zum STOXX 600 eine um fast fünf Prozent niedrigere Performance für die Zeit von 2015 bis 2019 (siehe Abb. 1).
ABB. 1: ÖUZ BENCHMARK VS. STOXX
Ausschlüssen liegt unter anderem die implizite Annahme zugrunde, dass der Verkaufsdruck die Risikoprämien und damit die Kapitalkosten der Unternehmen über die Zeit so weit erhöht, dass sie sich aus ihren dann unprofitablen Aktivitäten zurückziehen müssen. Aber wie immer am Kapitalmarkt, benötigt jeder Verkäufer einen Käufer. Sofern Investoren also nicht aufgrund ihrer Wertvorstellungen devestieren, sollten sie sich vorher gut überlegen, wer auf der anderen Seite steht und welche Motivation den Käufer treibt. Außerdem garantieren „gute Unternehmen“ keine „guten Investments“. Solange also die ausgeschlossenen Unternehmen ihre Kapitalkosten verdienen und liquide bleiben, werden sie nicht aus dem Markt ausscheiden. Darüber hinaus bergen eine Reihe von Ausschlüssen oftmals eine „Wette“ auf oder gegen die Politik. Gute Beispiele dafür sind der Rückzug der USA aus dem Pariser Klimaabkommen oder dem Abkommen gegen Landminen, das Festhalten Frankreichs an Atomstrom entgegen früherer Absichten sowie die konzertierten Maßnahmen zur Stützung der Ölindustrie während des jüngsten Ölpreisrückganges.
ABB. 2: SIEMENS-AKTIE - ZERLEGUNG DER VOLATILITÄT
Investoren, die neben der Umsetzung ihrer Wertvorstellungen auch aktiv nach Performancechancen („Value Enhancement“) entlang der Cerulli-Liste suchen, müssen sich nahezu zwangsläufig mit „Materiality“ – also der Wesentlichkeit von ESG-Aspekten für den Unternehmenswert und damit für die Aktienperformance – auseinandersetzen. Weil das im Einzelfall aufgrund der noch recht mageren Datenverfügbarkeit nicht ganz so einfach ist, kann ein Lösungsweg zur Verbindung von ESG mit finanziellen Aspekten in einer Kombination von ESG-Kriterien mit bekannten Faktorprämien wie Value, Momentum oder Low Beta bestehen. Empirisch und ökonomisch bereits für viele Assetklassen nachgewiesen, kann man heute den Einfluss dieser Faktorrisiken mit Risikomodellen gut sichtbar machen. Im Rahmen eines gemeinsamen Researchprojektes mit ISS ESG konnten wir bei Alpha Centauri zudem nachweisen, dass sich der CO2-Fußabdruck neben Unternehmensrisiko, Marktrisiko und anderen Faktorrisiken bereits in der Volatilität von Aktien widerspiegelt, wie das Siemens-Beispiel in der nebenstehenden Graphik zeigt (siehe Abb. 2).
ABB. 3: CLIMATE SMART STRATEGIE VS. ÖUZ BENCHMARK
In einem weiteren Projekt haben wir 2019 versucht, die bereits in den iSTOXX Europe Faktorindizes erfolgreich angewendeten Faktormetriken auf ein Universum zu übertragen, das den UN Global Compact Richtlinien entspricht. Die Ergebnisse waren dabei recht vielversprechend. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse konnten wir kürzlich im Rahmen einer Kundenanfrage auf die Vorgaben des Österreichischen Umweltzeichens anwenden (siehe Abb. 3).

Fazit: Die Kombination von Faktorprämien mit ESG-Kriterien eröffnet im Vergleich zu einer rein ausschlussbasierten Umsetzung deutlich mehr Potenzial und liefert damit ein weiteres Nutzenversprechen für ESG-Investments: Value Alignment + Value Enhancement.
ÜBER DEN AUTOR

Ulf Füllgraf ist Geschäftsführer der Alpha Centauri Investment GmbH. Der diplomierte Bankbetriebswirt verfügt über 25 Jahre Erfahrung im Asset-Management und war unter anderem als Leiter Portfoliomanagement bei der SUVA (Schweiz) und als Gründer sowie Leiter der Multi-Asset-Abteilung bei der DEKA tätig.

Alpha Centauri ist eine Asset-Management-Boutique, die sich auf liquide alternative Risikoprämien und Aktien-Faktorstrategien spezialisiert hat.