STRATEGIE

„DARGESTELLTE WERTENTWICKLUNGEN BEI FONDSPRODUKTEN ENTSPRECHEN NICHT IMMER DEN VORSCHRIFTEN“

Professionelle Informationsunterlagen sind ein wesentlicher Teil des Fondsvertriebs. Diese sollten vor dem Einsatz in der Praxis einer juristischen Prüfung unterzogen werden. Denn die Erfahrung zeige, so berichtet Roland Baum, Partner der Kanzlei Baum FSLT Rechtsanwälte, dass bestehende Vorgaben der Bafin häufig vernachlässigt würden oder schlichtweg nicht bekannt seien.
Um einen Einblick hinsichtlich der bestehenden Anforderungen zu bekommen, sprach die Redaktion der HANSAWELT mit dem Experten für die Fondsbranche insbesondere über die Darstellungsvorschriften für Kundeninformationen. Dabei weisen wir darauf hin, dass das Gespräch beziehungsweise der Beitrag keine Rechtsberatung darstellt.
HANSAWELT: Herr Baum, ein Disclaimer am Ende der Präsentation oder in der Produktbroschüre, die Bereitstellung aktueller Unterlagen auf der Unternehmenswebseite, Hinweise, dass Wertentwicklungen aus der Vergangenheit nicht für die Zukunft gelten – pflichtbewusst erfüllen Asset-Manager, Fondsberater und Vertriebe die Vorgaben des Gesetzgebers oder etwa nicht?

Roland Baum: Ein pflichtbewusstes Bemühen ist immer erkennbar. Doch leider entsprechen viele Vertriebsunterlagen, die wir zur Prüfung oder zu Gesicht bekommen, nicht den gesetzlichen Anforderungen. Allerdings sind die Vorgaben der Bafin an solche Informationen recht komplex, um eine transparente und eindeutige Information für Privatanleger und professionelle Investoren zu gewährleisten.

HANSAWELT: Sie beziehen sich hier auf die Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion und die weiteren Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten für Wertpapierdienstleistungsunternehmen, kurz MaComp (Bafin-Rundschreiben 05/2018 [WA])?

Baum: Genau, diese regelt beispielsweise unter dem Inhaltspunkt BT 3 die Anforderungen an die Darstellung von Informationen über Finanzinstrumente nach dem Wertpapierhandelsgesetz (§ 63 Abs. 6 WpHG, Art. 44 DV) und gilt damit auch für Fondsprodukte.

“Grundsätzlich gelten die Anforderungen für alle Informationen - egal ob werblicher Art oder nicht.”
HANSAWELT: Für welche Informationen gelten die Anforderungen?

Baum: Ohne zu sehr ins Detail zu gehen: Grundsätzlich gelten diese für alle Informationen, egal ob werblicher Art oder nicht. Eine ausdrückliche Kennzeichnungspflicht besteht zudem, wenn der werbliche Charakter nicht eindeutig zu erkennen ist. Am Ende geht es immer um die Bewertung des Einzelfalls. Ausgenommen sind hier lediglich an „geeignete Gegenparteien“ gerichtete Informationen.

HANSAWELT: Nennen Sie unseren Lesern doch bitte einige Beispiele.

Baum: Zu den kennzeichnungspflichtigen Informationen zählen beispielsweise objektive Beiträge in Kundenzeitschriften oder persönlich adressierte Kundenanschreiben, die den Erwerb von Fondsanteilen nahelegen. Weitere Informationen mit einem absatzfördernden beziehungsweise werblichen Charakter sind unter anderem Broschüren, Anzeigen, Flyer oder auch Präsentationen.
“Chancen und Risiken müssen im selben Umfang dargestellt werden.”
HANSAWELT: Nachdem wir nun wissen, welche Unterlagen sich an den Anforderungen der MaComp orientieren müssen, lassen Sie uns das ein oder andere klassische Beispiele beleuchten, das erfahrungsgemäß nicht korrekt dargestellt wird.

Baum: Zu den meines Erachtens relativ einfachen Regeln gehört die Darstellung von Chancen und Risiken. Beispielsweise in Fach- oder Produkttexten und Fondsflyern wird gerne auf die vorhandenen Vorteile und Chancen des Produkts eingegangen. Dies ist auch zulässig, allerdings nur, wenn im selben Umfang und mit derselben Genauigkeit auch die möglichen Risiken dargestellt werden. Dieser Teil wird leider gerne vergessen. Dabei muss das Verhältnis nicht zwangsläufig ausgeglichen sein. Entscheidend ist, dass dann, wenn alle wesentlichen Vorteile eines Produkts genannt werden, auch auf alle wesentlichen Risiken hingewiesen wird, und immer dann, wenn nur besonders wichtige Vorteile genannt werden, jedenfalls auch auf die besonders wichtigen Risiken hingewiesen wird.

HANSAWELT: In vielen Produktinformationen treffen wir zudem auf die Darstellung von Wertentwicklungen. Auch hier gibt es doch mit Sicherheit einzuhaltende Vorgaben?

Baum: Richtig, insbesondere bei der Darstellung der Wertentwicklungen laufen häufig Anforderungen und Praxis weit auseinander. Zwar erfolgt in der Regel der Hinweis, dass vergangenheitsbezogene Daten kein verlässlicher Indikator für die Zukunft sind, allerdings fehlt häufig die Information, ob es sich um Netto- oder Bruttowerte handelt. Bei Bruttowerten muss genau angegeben werden, wie Provisionen, Gebühren und andere Entgelte das Ergebnis des Fonds beeinflussen. Außerdem können die Bezugszeiträume der präsentierten Zahlen bei der Abbildung von Wertentwicklungen nicht willkürlich gewählt werden.
“Zukunftsbezogene Berechnungen dürfen sich nicht auf Simulationen der Vergangenheit beziehen.”
HANSAWELT: Bleiben wir bei Letztgenanntem: Was heißt das konkret?

Baum: Grundsätzlich müssen die Angaben zur Darstellung geeignet sein, also in absoluten oder relativen Prozentangaben vorliegen, unter Umständen gilt dies auch für Wertangaben. Was häufig nicht beachtet wird: Wertentwicklungsangaben müssen immer die tatsächliche Wertentwicklung eines Zwölfmonatszeitraums wiedergeben. Kumulierte Zeiträume, wie 85 Prozent in sechs Jahren, sind dagegen ungeeignet. Sie erlauben keine Rückschlüsse auf die Volatilität und das Anlagerisiko. Aus diesem Grund sind auch annualisierte Durchschnittswerte, wie fünf Prozent per anno in den vergangenen fünf Jahren, nicht geeignet.

HANSAWELT: Neben geeigneten Angaben stellt sich die Frage nach den schon erwähnten Mindestzeiträumen?

Baum: Auch hier enthält die MaComp klare Vorgaben. Die dargestellten Wertentwicklungsangaben, zum Beispiel bei einem Fondsprodukt oder einem Index, müssen sich auf die unmittelbar vorausgehenden fünf Jahre beziehen, entweder als lückenlose Linie im Diagrammformat oder ebenfalls in Zwölfmonatszeiträumen. Ist der Fonds noch nicht so lange am Markt, müssen die Angaben über den verfügbaren Zeitraum – also seit Auflage – gemacht werden. Sprechen wir dabei über einen Zeitraum von weniger als zwölf Monaten, dürfen keine Angaben zur Wertentwicklung, sondern ausschließlich zum aktuellen Wert gemacht werden.
HANSAWELT: Neben den konkreten vergangenheitsbezogenen Zahlen werden auch gerne simulierte Wertentwicklungen abgebildet. Wie lautet hier die Vorgabe der Bafin?


Baum: Auch für simulierte Wertentwicklungen gelten die bereits dargestellten Vorgaben. Zudem dürfen sich Simulationen nur auf ein Finanzinstrument, den zugrunde liegenden Basiswert oder einen Finanzindex beziehen. Und: Es muss eine fest definierte Zusammensetzung der Simulation zugrunde liegen.
HANSAWELT: Was bedeutet dies für einen neu aufgelegten Fonds? Rückblickende Simulationen sind in diesem Kontext in Präsentationen eine gerne verwendete Darstellung.

Baum: In der Anlagestrategie des Fonds sind bestimmte Gewichtungen für die Verwaltung des Investmentvermögens definiert. Da die konkrete Titelauswahl und die Entscheidung über einzelne Transaktionen im Ermessen des Fondsmanagements liegen, ist eine genaue Zusammensetzung des Zielportfolios für die Vergangenheit rein hypothetisch. Vergangene Wertentwicklungen von strukturierten Produkten wie einem Investmentfonds in Kundeninformationen zu simulieren, ist daher nicht zulässig. Allerdings ist die Kombination aus einer tatsächlichen und einer simulierten Wertentwicklung möglich, sofern dies deutlich erkennbar ist.

HANSAWELT: Bleibt noch die Darstellung zukunftsbezogener Angaben. Wie sieht es hier aus?

Baum: Zukunftsbezogene Berechnungen dürfen sich nicht auf Simulationen der Vergangenheit beziehen. Sie müssen auf angemessene objektive Daten zurückgreifen, sowohl positive als auch negative Szenarien und alle Kosten wie Provisionen, Gebühren et cetera berücksichtigen.
“Wertentwicklungsangaben müssen immer die tatsächliche Wertentwicklung eines Zwölfmonatszeitraums wiedergeben.”
HANSAWELT: Herr Baum, vielen Dank für einen kleinen Einblick in die Anforderungen seitens des Gesetzgebers an Informationsunterlagen von Fondsprodukten. Diese sind natürlich noch deutlich umfangreicher und wir empfehlen, sich detaillierter mit der MaComp zu beschäftigen. Abschließend nun noch eine Frage: Bei der Vielzahl an Fondsprodukten nebst Vertriebsunterlagen, die am Markt sind: Wie wird die Einhaltung der Vorschriften kontrolliert und welche Strafen bei Verstößen sind denkbar?

Baum:
Im Gegensatz zu anderen Märkten, in denen die Werbung sehr kritisch von den Wettbewerbern beäugt und im Zweifel abgemahnt wird, gilt bisher im Großen und Ganzen im Fondsmarkt, dass eine Krähe der anderen kein Auge aushackt. Allerdings beobachten im Rahmen des Projekts „Marktwächter Finanzen“ die Verbraucherzentralen den Finanzmarkt und verfolgen unzulässige Anlegerinformationen. Aufsichtsrechtlich sind die Wirtschaftsprüfer der Wertpapierdienstleistungsunternehmen gehalten, im Rahmen der Prüfung nach § 89 WpHG die Einhaltung der Pflichten bei Anlegerinformationen zu prüfen. Die Bafin hat nach § 88 WpHG das Recht zur Beobachtung des Marktes und kann in diesem Rahmen Verstöße aufdecken. Nach § 120 Abs. 8 Nr. 31 WpHG wird ein Verstoß gegen die Anforderung, dass Informationen redlich, eindeutig und nicht irreführend sein müssen, als
Ordnungswidrigkeit qualifiziert, die nach § 120 Abs. 20 WpHG im Regelfall mit einer Geldbuße von bis zu fünf Millionen Euro geahndet werden kann. Es gilt natürlich der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, aber der gesetzte Rahmen sollte die Marktteilnehmer zu einigen Anstrengungen bei der Abfassung der Anlegerinformationen animieren.