STRATEGIE

CORONA-KRISE VERSTÄRKT TRENDS UND BRINGT UNTERNEHMEN SCHNELLER INS WANKEN

Für Unternehmen, Forschung und Politik bietet die Covid-19-Krise Chancen auf positive Veränderungen. Gewisse Regeln und Abläufe lassen sich nicht mehr aufrechterhalten, das Motto „Das haben wir schon immer so gemacht“ war vor der Krise ein schwaches Mantra und gilt nach der Krise erst recht nicht mehr.

ÜBER DEN AUTOR

Daniel Kröger ist seit 2018 bei der Ehrke & Lübberstedt AG als Managing Director tätig. Von 2010 bis 2018 war er Head of Portfoliomanagement bei der ACATIS Investment KVG in Frankfurt. Dort zeigte sich Daniel Kröger verantwortlich für die internationale Asset-Allokation und die Ausrichtung der Investmentstrategie sowie als Co-Manager für internationale institutionelle Value-Funds mit einem Fondsvolumen von über einer Milliarde Euro. Daniel Kröger studierte Diplom-Informatik an der Universität Dortmund.
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Was diese Krise aber vor allem ist, eine übersteigerte Form eines längst bekannten Zustands, beschrieben durch das Akronym VUCA: volatile, uncertain, complex, ambiguous (unbeständig, unsicher, komplex, mehrdeutig). VUCA war die Antwort des US Army War College auf den Zusammenbruch der UdSSR Anfang der 1990er-Jahre. Plötzlich gab es nicht mehr den einen Feind, was neue Sicht- und Reaktionsweisen zur Folge hatte. Das Zusammenspiel von Management, Organisation und Kultur definiert den Erfolg eines Unternehmens. Zunehmend gewinnt daher der Ansatz des Human Centered Design an Bedeutung. Die effektivste Form der Unternehmensentwicklung ist diejenige, die von den Beteiligten selbst aktiv und eigenverantwortlich mitgestaltet werden kann und nicht von oben kommt. Es geht vor allem darum, Zukunft vorauszudenken und Disziplin und Ausdauer bei der Umsetzung zu zeigen. Erfahrungen, Glaubenssätze und Paradigmen kommen auf den Prüfstand, da es nicht mehr den einen Weg oder das einzig richtige Führungsinstrument gibt. Individualität löst Standard ab. Gute Manager verwalten, aber sehr gute Manager verwalten das Unbekannte.

Fatale Fehleinschätzungen haben in der Geschichte schon immer zum Untergang geführt: Thomas J. Watson, CEO von IBM, schätzte 1943 den Bedarf an Computern auf der Welt auf fünf. Anfang 1960 kam es in der Branche der Baggerproduzenten zum Umbruch. Nur vier der etwa 30 etablierten Baggerhersteller konnten erfolgreich von Seilbagger auf Hydraulik-Technologie umstellen. Zahlreiche Neueinsteiger überrannten die Branche. Auch Kodak, Nokia, Netscape, AOL und Blackberry sind Beispiele für Unternehmen, die sich auf dem Höhepunkt ihrer Tätigkeit auf dem Erfolg ausruhten und kommende Disruptionen nicht wahrnahmen. Heute sind die Herausforderungen nicht kleiner, im Gegenteil, die Corona-Krise wird Trends verstärken und Branchen/Unternehmen schneller ins Wanken bringen.

Banken sind in Krisenzeiten ein starker Partner, doch stellt das gleichzeitig eine Gefahr dar. Auch im Firmenkundengeschäft ändert sich die Kundenbeziehung. Längst haben die großen TecPlayer das Business unterwandert. Zahlungsdienstleister wie Adyen, Stripe oder Paypal sind tief bei den Kunden integriert, kennen die Prozesse und liefern mehr Value über Daten wie Risikobewertung, Predictive Maintenance oder Zeiterfassung. Dies werden nunmehr Firmenkunden erkennen. Hauptproblem der Banken bleibt die Trägheit. Längst gilt Capex to Opex – Investitionsausgaben werden zu Betriebsausgaben – als Service. Es wird nicht mehr die Maschine selbst gekauft, sondern nur noch der Output. Selbst IT-Sicherheit wird längst als Service eingekauft über Dienste wie Okta oder Zscaler. Nach der Corona-Krise gilt es umso mehr, diese Trägheit zu überwinden.

Laut Bloomberg gibt es Verhandlungen über ein Hilfspaket von rund zwei Milliarden Euro für den Elektronik-Handelskonzern Ceconomy AG (Media Markt/Saturn). Ein Konzern, der in den vergangenen zehn Jahren durch Missmanagement deutlich auffiel. Über Jahre anhaltender Managerschwund, fehlende Digitalstrategie, fehlende Anpassung an Kundenwünsche (zum Beispiel Ausbau einer Service-Sparte) und zuletzt zwei Marken, die kein Differenzierungsmerkmal mehr bieten. Best Buy mit ähnlichem Geschäftsmodell in den USA hat bereits acht Jahre zuvor, im Jahr 2012 unter CEO Hubert Joly, einen radikalen Wandel vollzogen. Und das sehr erfolgreich, der Aktienkurs hat sich mehr als versechsfacht.
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Vapiano hat seit Gründung 2002 das Fast-Casual-Prinzip in Deutschland erfolgreich etabliert. Die aggressive Expansion wurde dem Unternehmen allerdings schnell zum Verhängnis. Fehlendes Qualitäts- und Prozessmanagement stürzte das Unternehmen von Jahr zu Jahr immer tiefer in die Krise. Lange Wartezeiten und ein unflexibles digitales Bestellsystem führten dazu, dass Kunden sich abwendeten. Die Covid-19-Krise führt nun zu einem zusätzlichen Finanzierungsbedarf von 13,6 Millionen Euro, sodass per Ende März 2020 die Insolvenz angemeldet wurde.  

In Asien ist der eSports-Markt bereits ein Milliardengeschäft. In Europa bewegen sich Sportvereine sehr zurückhaltend und unsicher auf dem Terrain. Dabei wäre die aktuelle Krise der perfekte Moment für Sportvereine, Medien und Sponsoren, präsenter denn je zu sein und nebenbei weitere Quellen für Umsatz zu generieren.

Die Krise wird drei Trends verstärken. Erstens: eine schnellere Einführung von Technologien. Die Menschheit hat nun Crashkurse in E-Commerce, digitalem Bezahlen und Remote Working erhalten. Weitere medizinische Innovationen stehen bevor, einschließlich Gen-Editing. Zweitens: Globale Lieferketten werden digitalisiert und zum Teil verschoben. Apple hat einen Lagerbestand von nur zehn Tagen und sein Hauptlieferant in Asien, Foxconn, 41 Tage. Unternehmen werden in hochautomatisierten Fabriken nach größeren Sicherheitspuffern und einer kritischen Produktionsmasse in der Nähe ihres Heimatortes suchen. Globale Unternehmen werden dadurch weniger profitabel, aber widerstandsfähiger. Drittens: Es wird ein weiterer Anstieg der Unternehmenskonzentration zu beobachten sein. Staatliche Gelder werden den privaten Sektor überschwemmen und große Unternehmen werden noch dominanter. Unternehmen, die schon vor der Krise Glaubenssätze und Paradigmen über Bord geworfen haben und auf dem geschäftlichen Höhepunkt bereit sind, radikal zu handeln, werden nach der Krise die Gewinner sein.