​TITELSTORY

"FINANCE FOR THE FUTURE“:
KAPITALMARKT UND KLIMASCHUTZ
STÄRKEN

DAS ZUKUNFTSFINANZIERUNGSGESETZ



Das Gesetz zur Finanzierung von zukunftssichernden Investitionen des Bundesfinanzministeriums und des Bundesjustizministeriums – das Zukunftsfinanzierungsgesetz (ZuFinG) –
wurde auf den Weg gebracht. Es sieht zahlreiche Modernisierungsmaßnahmen und entsprechende Änderungen bestehender Gesetze vor, um den deutschen Kapitalmarkt zu stärken und gleichzeitig die Energiewende zu fördern. Punktuell direkt und teilweise indirekt betrifft das auch das Investmentfondsgeschäft, jedoch fehlt noch eine entscheidende Ergänzung im Steuerrecht.

Im internationalen Vergleich rangiert der Finanzplatz Deutschland bislang nicht auf einem Top-Rang. Vielmehr ist er geprägt von einer niedrigen Aktionärsquote, einem Mangel an inländischem Wachstumskapital und einer geringen Zahl von Börsengängen. Das erscheint gerade vor dem Hintergrund des immensen Investitionsbedarfs problematisch. Insbesondere Digitalisierung und Klimaschutz gilt es in den kommenden Jahren zukunftsfähig und solide zu finanzieren.

Idealerweise stellen hier nationale wie internationale institutionelle Investoren, aber auch Privatanleger Kapital zur Verfügung. Denn auch für die notwendige Stärkung der Altersvorsorge der Bürgerinnen und Bürger bedarf es einer Modernisierung und Stärkung des deutschen Kapitalmarkts.

Dieser Aufgabe kommt die Regierung mit dem Gesetz zur Finanzierung von zukunftssichernden Investitionen (Zukunftsfinanzierungsgesetz - ZuFinG) nach. Ziel ist, die Leistungsfähigkeit des deutschen Kapitalmarkts zu stärken und die Attraktivität des deutschen Finanzstandorts als bedeutenden Teil eines starken Finanzplatzes Europa zu erhöhen. Insbesondere Start-ups, Wachstumsunternehmen sowie kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) als Treiber von Innovation soll der Zugang zum Kapitalmarkt und die Aufnahme von Eigenkapital erleichtert werden.

Dafür sieht das Gesetz zahlreiche Änderungen im Finanzmarktrecht, Gesellschaftsrecht und Steuerrecht vor, die den deutschen Kapitalmarkt digitalisieren, entbürokratisieren und internationalisieren sollen. Zentral dabei sind Neuregelungen, die das Aktienrecht und das Börsengesetz betreffen und die von entsprechenden Änderungen im Steuer- und Aufsichtsrecht flankiert werden. Damit ändert sich punktuell auch das regulatorische Umfeld für Investmentfonds. Zudem sind sie direkter Adressat einiger neuer Vorschriften.

Die Zielsetzungen und die Stoßrichtung aus dem Bundesfinanz- (BMF) sowie dem Bundesjustizministerium (BMJ) erscheint durchweg begrüßenswert. Denn er orientiert sich an den Anforderungen an einen modernen Kapitalmarkt und enthält größtenteils Maßnahmen, die den deutschen Kapitalmarkt deutlich voranbringen können.

Denn von einem starken, international wettbewerbsfähigen Kapitalmarkt profitiert nicht nur der gesamte deutsche Finanzstandort und damit auch die gesamte europäische Finanzwirtschaft. Vielmehr bekommt auch die Realwirtschaft einen Schub. Ein starker Kapitalmarkt sorgt für Wachstum in allen Wirtschaftsbereichen, denn das Gesetz ist eine wesentliche Quelle für Investitionen mit langfristigen Investitionszyklen, etwa in Forschung und Entwicklung.

Zu den zentralen Änderungen auf der Aktienseite – die damit indirekt auch entsprechend orientierte Investmentfonds treffen – zählen Erleichterungen bei den Börsenzulassungsanforderungen und bei den Zulassungsfolgepflichten. Hierzu werden beispielsweise das Mindestkapital für einen Börsengang von derzeit 1,25 Millionen Euro auf eine Million Euro gesenkt und Regelungen für Akquisitionszweckgesellschaften (Special Purpose Acquisition Companies, „SPACs“) eingeführt, die Unternehmen zur Vorbereitung eines Börsengangs dienen und sich beispielsweise in den USA als modernes Finanzierungsvehikel etabliert haben. 

In der Fondsbrache umstritten ist die geplante Wiedereinführung von Mehrstimmrechten, die ihren Inhabern eine größere Möglichkeit der Einflussnahme auf die Entwicklung der Gesellschaft zugestehen – so aber gleichzeitig die Mitbestimmungsmöglichkeiten anderer Aktionäre beschneiden. Auch vorgesehene Maßnahmen zur Erleichterung der Durchführung von Kapitalerhöhungen sind kritisch zu hinterfragen.

Des Weiteren sieht das Gesetzvor, per erwarteter und indirekt angekündigter Änderung des Gesetzes über elektronische Wertpapiere (eWPG) künftig neben Nachrangschuldverschreibungen auch Namensaktien in Form rein elektronischer Wertpapiere zuzulassen. 

​Durch das Gesetz entstehen weitreichende steuerliche Erleichterungen. Hier ist die Umsatzsteuerbefreiung zu nennen, die im ZuFinG vereinbart wurde. Sie soll ohne spezifische Anforderungen auf die Verwaltung aller Investmentvermögen ausgeweitet werden. Das ist zum einen deshalb wichtig, weil dadurch Wettbewerbsgleichheit mit anderen europäischen Mitgliedstaaten hergestellt wird. Zum anderen trägt dies dazu bei, Anlegern die Anlage in entsprechende Fonds zu erleichtern. Allerdings darf auch nicht vergessen werden, dass es unter bestimmten Voraussetzungen zu Vorsteuernachteilen kommt. Um diese zu vermeiden, wurde eine Option zur Steuerpflicht eingeräumt.

​Hinzu kommen steuerrechtliche Änderungen, die Kapitalbeteiligungen von Mitarbeitern fördern und damit die Aktienkultur stärken sollen. Außerdem soll der Höchstbetrag für geförderte vermögenswirksame Leistungen (VL) auf 1.200 Euro verdreifacht werden. Durch eine Aufhebung der Einkommensgrenze sollen auch Arbeitnehmergruppen erreicht werden, die bislang nicht in den Genuss der Arbeitnehmer-Sparzulage kommen. Damit könnte das VL-Sparen über Fondssparpläne erheblich an Attraktivität gewinnen.

​Von noch deutlich höherer und unmittelbarerer Relevanz für das Fondssegment als die genannten Änderungen sind indes geplante Neuregelungen im Bereich der Real Assets. Das betrifft in erster Linie bestehende und neue Immobilienfonds. Im Sinne der Klimaschutzziele sollen diese künftig erweiterte Möglichkeiten erhalten, in Erneuerbare-Energien-Anlagen (EEA) zu investieren.


EIN INTERVIEW MIT LUDGER WIBBEKE, GESCHÄFTSFÜHRER DER HANSAINVEST.

Herr Wibbeke, warum ist das Zukunftsfinanzierungsgesetz so wichtig für den Immobilienmarkt?

Das Gesetz ist ein weiteres i-Tüpfelchen für die angestoßenen Veränderungen auf dem Fondsmarkt. Es schafft Rechtsklarheit für bestehende und neue Immobilienfonds beim Erwerb von Erneuerbare-Energien-Anlagen. Im Gesetz gibt es theoretisch gar keine Beschränkungen mehr, bis zu 15 Prozent des Fondsvermögens in solche Anlagen zu investieren. Diese dürfen sogar auf Freiflächen stehen, die keinen Bezug zur Immobilie haben. Das hilft auch, damit Artikel-8- und Artilel-9-Immobilien-Fonds jetzt in PV- und/oder Windparks investieren.  Schließlich gilt es nicht nur für neue, sondern auch für bereits bestehende Immobilienfonds. Allerdings ist wichtig zu sagen, dass wir hier über Immobilienfonds reden und nicht über die neuen Infrastrukturfonds, die seit dem Inkrafttreten des Fondsstandortgesetzes im August 2021 möglich sind.

Würden sie das etwas genauer erklären?

Artikel-8- und 9-Fonds müssen nach der EU-Offenlegungsverordnung ganz bestimmte Bedingungen bezogen auf die Nachhaltigkeit erfüllen. Werden diese Bedingungen im Verlauf des Fondslebens angepasst und/oder erreichen Immobilien diese nicht mehr, droht dem jeweiligen Fonds der Verlust dieses Status. Hier öffnet sich jetzt eine Tür: Wenn 15 Prozent des Wertes in eine PV-Anlage investiert werden, lässt sich der Status leichter sichern.

​Sie sagten gerade, es gibt in dem Gesetz theoretisch keine Beschränkungen mehr, wohl vor allem Photovoltaikanlagen für Fonds zu erwerben. Deuten Sie damit Hindernisse in der Praxis an?

Die steuerrechtliche Seite wurde nicht beachtet – und ohne die nützen alle regulatorischen Verbesserungen nichts.

​​Welche steuerrechtlichen Probleme wurden noch nicht ausreichend berücksichtigt?

Derzeit dürfen auf der Basis des Jahressteuergesetzes 2022 maximal zehn Prozent der Erträge von Immobilien-Spezialfonds aus erneuerbaren Energien kommen, ohne dass Gewerbesteuer auf ihre gesamten Einnahmen anfällt. Wenn aber 15 Prozent des Fondsvolumens in einer PV-Anlage stecken, ist diese vorgenannte Schmutzgrenze durch die Einnahmen aus dem Verkauf des Stroms schnell übertroffen. Deshalb muss sie ebenfalls angepasst werden, damit sich Erwerb und Betrieb der Anlagen für die Fonds rechnet.

​​​Sie gehören dem Präsidium des ZIA an und haben auch an einer Stellungnahme des Branchenverbands zum Gesetzesentwurf mitgearbeitet. Rechnen Sie damit, dass es auch die steuerrechtlichen Anpassungen geben wird?

Ja. Das ist politisch geboten und wirtschaftlich nötig. Das Gesetz ist entscheidend, um die Energie und Klimawende voranzutreiben. Und die Fonds spielen am Ende des Tages dabei eine erhebliche Rolle. Denn über sie kommt privates und vor allem auch institutionelles Geld zusammen, um die Transformation zu finanzieren. Ohne solche privaten Investitionen in entsprechender Größenordnung ist diese Transformation durch die Klima- und Energiekrise nicht zu finanzieren. Übrigens, seit wenigen Wochen wird das Wachstumschancengesetz diskutiert. Dort sollen vor der Kabinettsentscheidung auch steuerliche Aspekte berücksichtigt werden. Ich hoffe, dass diese vorgenannte Schmutzgrenze dort bestenfalls ganz gestrichen wird.

​​​​Wegen der genannten Hindernisse stockte bisher gerade auf Gebäuden, die von Fonds gehalten werden, der Ausbau mit PV-Anlagen. Folgt nun ein Boom, wenn die tatsächlich abgebaut werden?

Das stimmt. Manchmal konnten Käufer nur so einen Quatsch machen wie eine installierte PV-Anlage abzustellen, weil sonst durch die gewerblichen Erträge eine gesamte Fondsstruktur infiziert gewesen wäre. Ändert sich das, gehe ich stark davon aus, dass es einen weiteren Rückenwind geben wird. Der Geschäftsführer eines berufsständischen Versorgungswerks hat mir vor ein paar Wochen gesagt: Was die letzten zehn, zwölf Jahre Immobilien in der Asset-Allokation waren, werden für die nächsten zehn, zwölf Jahre erneuerbare Energien sein.

Merken Sie, dass Anleger darauf warten, mehr Kapital in erneuerbare Energien zu investieren?

Definitiv. Einige unserer Kunden auf der Seite der Immobilien-Assetmanager beschäftigen sich bereits intensiv mit dem Thema. Auch institutionelle Investoren sind daran interessiert in Immobilienfonds zu investieren, die einen Teil ihrer Erträge aus Erneuerbare-Energien- Anlagen beziehen. Ganz zu schweigen von den konkreten und zum Teil sehr weit fortgeschrittenen Aktivitäten auch reine Infrastruktur-Erneuerbare Energien-Fonds aufzulegen. Hier sind wir seit Monaten sehr aktiv und sehen großes Interesse bei den Investoren.

​​Welche Konsequenzen könnte das für die Immobilienwirtschaft haben, wenn das Kapital anstatt in Immobilien in erneuerbare Energien fließt?

Vielleicht springt der Immobilienmarkt dadurch etwas später an, aber ich gehe fest davon aus, dass er wieder anspringt. Die Immobilie als Allokationsziel für institutionelle Anleger wird immer einen hohen Wert haben.

Aufgrund der unsicheren Lage auf dem Immobilienmarkt halten viele Anleger ihr Kapital derzeit zurück. Ist das Investment in Erneuerbare-Energien-Anlagen für sie eine Alternative mit höherer Rendite?

Ja. Aber es ist ein ganz anderes Investment, da es sehr Cashflow getrieben ist. Ein Solarpark ist in 30 Jahren abgeschrieben und nur noch einen kleinen Teil der ursprünglichen Investitionssumme wert. Das ist bei Immobilien ganz anders. Zudem unterscheidet sich der Aufwand bei der Bewirtschaftung. Wer sich darauf einlässt, kann nicht nur von einer Risiko-, sondern auch von einer Renditebeimischung profitieren. Wenn ein reiner Immobilienfonds derzeit etwa zwei bis vier Prozent Rendite bringt, können Erneuerbare sechs bis acht Prozent beisteuern.

Die Energiewende und vor allem die ambitionierten politischen Pläne in diesem Zusammenhang sorgen in der Bevölkerung an vielen Stellen für Verunsicherung. Auch bei Kapitalverwaltern wie Hansainvest?

Veränderungen gab es immer und man sollte sie auch als Chance und nicht nur als Risiko begreifen. Genauso gehen wir bei Hansainvest vor. Das heißt, bezogen auf unser Geschäftsmodell führen die Energiewende und die entsprechenden Pläne der Regierung nicht zur Verunsicherung, sondern wir sind motiviert, diese Herausforderung zu meistern.

Herr Wibbeke, wir danken für das Gespräch.

Zusammenfassend ist festzuhalten: das Zukunftsfinanzierungsgesetz enthält wesentliche Präzisierungen und ist mit seinen facettenreichen Modernisierungsmaßnahmen durchaus geeignet, den deutschen Kapitalmarkt nachhaltig zu stärken und gleichzeitig einen wichtigen Beitrag zum Erreichen der Klimaschutzziele zu leisten.