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DIE JAPANISCHE EVOLUTION DES SHAREHOLDER-VALUE

Bis dato blieb der japanische Aktienmarkt eher unbeachtet. Nun kommt allerdings Bewegung in den Markt: japanische Unternehmen nehmen sich ihrer überkapitalisierten Bilanzen an, zusätzlich übt die Tokioter Börse Druck aus. Ein Nährboden für Corporate Action. Dennoch ist Japan kein einfacher Markt. TBF ist seit über zehn Jahren in dem Markt aktiv und setzt die Analyse in ihren Fonds um.

​Im letzten Jahrhundert war Japan für den Walkman, den Gameboy und hochwertige Fernseher bekannt. Aktuell verbinden Investoren mit dem Land günstige Bewertungen. Das hat seinen Grund: Im Topix befinden sich über 2.000 Aktien. Fast die Hälfte von ihnen haben ein Preis / Buch (P/B) - Verhältnis von unter 1. Das steht in klarem Kontrast zu den USA oder Europa. Im S&P 500 weisen lediglich fünf Prozent der Unternehmen ein entsprechend niedriges Verhältnis auf. Selbst der breite Stoxx 600 kommt nur auf einen Anteil von 22 Prozent.

Preis-Buch-Verhältnis der Indizes

Ausschlaggebend für derart niedrige Bewertungen in Japan sind eine mangelnde Fokussierung auf den Shareholder-Value, überkapitalisierte Bilanzen und eine hohe Vernetzung der Unternehmen.

Der Aktionär rückt langsam in den Fokus 
​Erst seit Anfang der 2000er Jahre berichten japanische Unternehmen Quartalszahlen. Seitdem wurde die Fokussierung auf den Shareholder Value kaum weiterentwickelt. Die Bedeutung von Investor Relations war oft nur eingebettet in die Ausbildung der Nachwuchsführungskräfte und wurde selten in einer eigenständigen Abteilung priorisiert. Bis heute tendieren japanische Unternehmen dazu, Gewinne nicht auszuschütten, sondern Bilanzen zu stärken. Das führt zwar zunächst zu sinkenden Verschuldungen, doch in deren Folge zu hohen Kassenbeständen, die den Rentabilitätserwartungen der Aktionäre widersprechen.

Zudem spielt in der japanischen Geschäftskultur Vertrauen eine wichtige Rolle, die sich in einer langen Tradition von Überkreuzbeteiligungen, genannt „Keiretsu“, ausdrückt. Durch langfristige Partnerschaften verspricht man sich, gemeinsam Ziele verfolgen zu können. Oft resultierte daraus jedoch eine nachlassende Fokussierung auf die Rentabilität. Dies möchte die Tokioter Börse nun ändern.

Neuer Schwung durch die Tokioter Börse
Nach drei Dekaden Deflation und mit dem demografischen Wandel ändert sich nun die Lage: Neue, gut ausgebildete Generationen sorgen für Druck, um in Richtung professionelle Investorenkommunikation zu gehen. Zudem hat Anfang des Jahres die Tokioter Börse (TSE) einen Maßnahmenplan verkündet, der die Ausrichtung der Unternehmen hinsichtlich Profitabilität verbessern soll. Es werden die positiven Effekte von Aktienrückkäufen und Dividenden betont, doch geht die TSE noch weiter: Die zukunftsfähige Ausrichtung der Unternehmen soll messbar werden. Speziell Unternehmen mit einem P/B-Verhältnis von unter 1 werden angespornt, ihren Fokus auf Kapitalkosten, Eigenkapitalrenditen und Marktbewertung zu legen. Dazu kann nun auch die Entflechtung der Überkreuzbeteiligungen gehöhren. Als Zielgruppe richtet sich die TSE an die gelisteten Unternehmen in den obersten beiden Ligen – dem Prime- und dem Standardsegment. Dies wird für viel Corporate Action sorgen und das globale Interesse am japanischen Aktienmarkt drastisch erhöhen.

TBF vor Ort: Unternehmensbesuche seit über 10 Jahren
Das Fondsmanagement von TBF besucht seit über zehn Jahren Unternehmen in Japan und diskutiert mit Führungskräften Geschäftsmodelle und Profitabilität. Die Entwicklung bei Dividenden und Aktienrückkäufen ist positiv. Für japanische Verhältnisse bewegen wir uns zwar auf historischen Höchstständen, doch sehen wir noch deutlich Luft nach oben. Daher schrecken wir nicht vor der Ansprache von unnötigen Verflechtungen zurück. Oft könnten durch Abspaltungen Sonderdividenden oder andere Kapitalmaßnahmen ermöglicht werden.

Japan ist also kein einfacher Markt. Wir konnten in unserem jahrelangen, intensiven Research ein tiefes Verständnis für Land, Leute, Denkweise und Unternehmensausrichtungen aufbauen. Unser Besuch im Juni 2023 bestätigte: Der Generationswechsel, die Fokussierung auf den Aktionär und die Steigerung der Profitabilitätskennzahlen stellen eine Chance dar, langfristig Mehrwert zu generieren.

TBF vor Ort: Unternehmensbesuche seit über 10 Jahren

SEBASTIAN SCHÜTT
SENIOR PORTFOLIOMANAGER UND LEITER HANDEL VON TBF

Sebastian Schütt ist seit 2017 bei TBF. Er verantwortet die TBF-Handelsstandards und ist als Senior Portfoliomanager für die Aktienanalyse und -auswahl mitverantwortlich.