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GLOBALER AUFSCHWUNG TREIBT INFLATIONSRATEN

Carsten Mumm, Chefvolkswirt bei DONNER & REUSCHEL

Die OECD berichtet in ihrem aktuellen Ausblick auf die Weltwirtschaft von insgesamt weiter verbesserten Aussichten für ein dynamisches Wachstum in den kommenden Jahren. Die globale Wachstumserwartung wurde auf 5,8 Prozent für 2021 sowie 4,4 Prozent für 2022 angehoben. Gleichzeitig wird aber auch auf außergewöhnliche Divergenzen beim anstehenden Aufschwung sowie auf weiterhin bestehende Risiken hingewiesen, die aus der Corona-Pandemie resultieren. Während die Pro-Kopf-Wertschöpfung in China bereits ein halbes Jahr nach dem Corona-Einbruch das Vorkrisenniveau wieder erreicht hatte, wird dieser Prozess in den USA voraussichtlich 1,5, in Deutschland etwa zwei, in Spanien 3,5 und in vielen Schwellenländern sogar mehr als vier Jahre dauern. Das verdeutlicht ein allgemeingültiges Charakteristikum der Corona-Krise: Wirtschaftlich stärker aufgestellte Volkswirtschaften, Unternehmen und Menschen überwinden die Krise schneller, wodurch die Ungleichheit zwischen Wohlhabenderen und Ärmeren zunimmt.

Kurzfristig verbesserte sich in Europa vor allem die Perspektive vieler Dienstleistungsunternehmen gemäß jüngst veröffentlichter Einkaufsmanagerindizes, nachdem angesichts sinkender Corona-Neufallzahlen immer mehr Lockerungen von Shutdown-Maßnahmen umgesetzt werden. Davon profitieren vor allem die von der Krise besonders hart betroffenen, stärker vom Tourismus abhängigen Volkswirtschaften Spaniens, Italiens und Frankreichs. Die wirtschaftliche Erholung nach der Krise sorgt aber auch für immer deutlichere Engpässe bei Vorleistungsprodukten und Rohstoffen, die mittlerweile nicht nur die produzierende Industrie, sondern auch die Baubranche merklich ausbremsen. So berichteten schon Anfang Mai 45 Prozent der vom Ifo-Institut befragten Industrieunternehmen in Deutschland von Engpässen bei Vorprodukten. Trotzdem ist aufgrund des anstehenden globalen Aufschwungs weiterhin mit einer hohen Nachfrage in der Industrie zu rechnen.

Die Inflationsraten ziehen unter anderem durch die daraus resultierenden, teils extremen Kostensteigerungen deutlich an, in Deutschland auf derzeit 2,5 Prozent. Es stellt sich daher immer mehr die Frage, ob es sich dabei tatsächlich nur um ein temporäres Inflationsstrohfeuer handelt, wie es vonseiten der EZB nach wie vor betont wird. Definitiv wirken im laufenden Jahr einige Einmaleffekte. So sorgt der Vergleich der aktuellen Rohölpreise mit den historischen Tiefstkursen aus dem Frühjahr 2020 maßgeblich für höhere Preissteigerungsraten. Entscheidend und heute nicht abschließend beantwortbar für die weiteren Perspektiven ist aber, ob Wirtschaftssubjekte beginnen, künftig anhaltend höhere Inflationsraten zu erwarten und diese entsprechend in Lohnverhandlungen und anderweitigen Preisfestsetzungen zu berücksichtigen. Hinzu kommt ein in vielen Staaten vorhandener breiter politischer Konsens, dass untere und mittlere Einkommenssegmente von dem derzeitigen Aufschwung stärker profitieren sollten als in den vergangenen zwölf Jahren. Entsprechend dürften Löhne auch politisch administriert deutlicher steigen.

Das größte Risiko für die positiven wirtschaftlichen Perspektiven bleibt kurzfristig aber ein möglicher Rückschlag bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie, etwa durch das Auftreten von Corona-Varianten, gegen die vorhandene Impfstoffe weniger wirksam sind. Trotz zuletzt leicht reduzierter Neufallzahlen in Indien sollte daher der Fokus der Weltgemeinschaft weiterhin auch auf der Unterstützung von Impfkampagnen in Schwellenländern liegen.