​TITELSTORY

DIE ZINSEN SIND ZURÜCK

DIE ZINSWENDE UND IHRE FOLGEN



Fast beispiellos stark haben die Notenbanken seit Anfang 2022 an der Zinsschraube gedreht. Das hat auch Auswirkungen auf die Kapitalmärkte, auf sämtliche Anlageklassen und auf die Marktteilnehmer.

Der Zins ist eine ausschlaggebende Variable in der Ökonomie, an dessen Höhe die Preise und Bewertungen aller anderen Wirtschaftsgüter und Anlageklassen gemessen werden. Bis Anfang 2022 waren die Zinsen extrem niedrig, was dazu führte, dass die Preise anderer Vermögenswerte rasant kletterten.

Doch nun sind die Zinsen zurück. Denn aufgrund eines starken Inflationsanstiegs, ausgelöst durch die Nachwirkungen der Corona-Pandemie und den russischen Angriffs-krieg gegen die Ukraine, waren die Notenbanken gezwungen, die Zinsen in rekord-verdächtigem Tempo anzuheben.

So erhöhte die Europäische Zentralbank die Leitzinsen in der Eurozone zwischen Juli 2022 und September 2023 von null auf 4,5 Prozent, der US-Leitzins wurde zwischen Mai 2022 und September 2023 von 0,25 auf die Spannevon 5,0 bis 5,25 Prozent angehoben. Doch welche Folgen hat die Normalisierung der Zinsen? Aus Sicht von Anlegerinnen und Anlegern ist es erfreulich, dass es seit langer Zeit wieder Zinsen gibt und sie nun erneut eine deutlich größere Auswahl bei der Geldanlage haben. So bieten nicht nur Bank-guthaben wieder eine Verzinsung, sondern auch Anleihen. Die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen kletterte zwischen Ende 2021 und Oktober 2023 von minus 0,5 auf fast drei Prozent. Die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen stieg im gleichen Zeitraum von rund einem auf fast fünf Prozent. Aber auch Unternehmensanleihen oder Hochzinspapiere werfen wieder nennenswerte Erträge ab. Und damit haben auch Mischfondsstrategien, die auf Aktien wie auch auf Anleihen setzen, an Attraktivität gewonnen.

Am Aktienmarkt nahmen die Kursschwankungen zwar zu. Allerdings konnten Aktien insgesamt die historisch rasche Zinswende und die drastische Zunahme der geopolitischen Unsicherheit erstaunlich gut verkraften, wobei gerade Value-Ansätze deutlich attraktiver geworden sind. Dennoch stehen Asset-Manager im Bereich Financial Assets vor neuen Herausforderungen. Einerseits bietet
dieses Umfeld aktiven Fondsmanagern die Chance, durch eine gezielte Aktienauswahl ihre Stärke auszuspielen und aussichtsreiche Unternehmen zu identifizieren. Andererseits müssen sie ihre Performance nun gegenüber der Inflation und den höheren Zinsen behaupten.

Deutlich an Zuspruch haben in der Niedrigzinsphase illiquide Sachwerte wie Immobilien, Private Equity oder Private Debt gewonnen. Und sie haben aufgrund ihres Diversifikationseffektes auch weiterhin ihre Berechtigung in der strategischen Asset-Allokation. Zugleich waren die Auswirkungen der Zinswende auch bei diesen Real Assets erheblich. Wie sehr sich die gestiegenen Finanzierungskosten hier auswirken, lässt sich gut am Beispiel der Immobilienmärkte zeigen. So sind die Immobilienpreise in 18 deutschen Städten laut dem German Real Estate Index seit Mitte 2022 um 20 Prozent eingebrochen.

Dazu kommen neben dem veränderten Zinsumfeld die regulatorischen Auflagen hinsichtlich der energetischen Sanierungen von Gebäuden, die dem Immobilienmarkt zusetzen. Dies alles hatte zur Folge, dass erste Projektentwickler Insolvenz anmelden mussten, und stellt für Immobilienfonds, Private Equity und andere private Märkte eine große Herausforderung dar. Diese Entwicklungen könnten den Beginn einer Marktbereinigung darstellen.

Den genannten Belastungsfaktoren stehen auch positive
Entwicklungen wie das Zukunftsfinanzierungsgesetz gegenüber. Dieses Gesetz könnte dem Bereich der erneuerbaren Energien einen zusätzlichen Schub verleihen und Investoren neue Chancen bieten, sodass bei illiquiden Sachwerten spätestens ab 2025 eine Besserung zu erwarten ist.