Europa

MARKTKOMMENTAR

KONJUKTURAUSBLICK AUF 2024 ​

​Zwischen Krisenmodus und Hoffnung


Die Flut an negativen Nachrichten scheint derzeit kaum abzureißen: Die Inflation fällt zwar, liegt aber immer noch deutlich über den Niveaus der Vor-Coronazeit. Weltweit haben viele Notenbanken die Zinsen innerhalb kürzester Zeit drastisch angehoben, sodass jegliche Refinanzierung für Privatpersonen, Unternehmen und Staaten künftig deutlich teurer wird. Vor allem aber scheint die Welt unter geopolitischen Gesichtspunkten aus den Fugen zu geraten. Neben dem Ukrainekrieg und einem möglichen Zugriff Chinas auf Taiwan eskalierte zuletzt die Situation in Israel mit dem Potenzial einer Ausweitung des Konflikts auf den gesamten Nahen Osten. Und schon seit Jahren wird die im Zuge der Globalisierung der vergangenen Jahrzehnte ökonomisch immer enger verflochtene Welt durch zunehmenden Protektionismus auseinandergerissen. Darunter leidet die Wachstums-dynamik vieler Volkswirtschaften immer stärker.

Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass Deutschland mit einem Fokus auf der exportorientierten Industrie im Gesamtjahr 2023 ein negatives Wachstum zu verzeichnen haben wird und im Vergleich mit anderen Industriestaaten die rote Wachstumslaterne innehat. Denn Deutschland hat auch strukturelle Wachstums-schwächen. Der Standort verliert laufend an Attraktivität im internationalen Wettbewerb, auch weil die Grundlagen der Erfolge der vergangenen Jahrzehnte gerade alle zeitgleich wegbrechen: günstige fossile Energie aus Russland, die Friedensdividende, funktionierende globale Lieferketten sowie die Vorteile von lohngünstiger Produktion und Absatzmärkten im außereuropäischen Ausland.

Entsprechend ist die Stimmungslage in der Wirtschaft derzeit sehr schlecht. Gemessen am Ifo-Geschäftsklimaindex wurde ein Krisenniveau erreicht wie zuletzt im Herbst 2022 im Angesicht einer möglichen Gasmangellage und davor im Frühjahr 2020 während der Coronakrise. Auch der Konsum fällt zunehmend verhalten aus. Die deutlich gestiegenen Preisniveaus veranlassen viele Menschen zum Sparen und zum Verzicht auf nicht notwendige Ausgaben.

IFO-GESCHÄFTSKLIMAINDEX 

CARSTEN MUMM
CFA, ist Chefvolkswirt bei der Privatbank DONNER & REUSCHEL.


Er verantwortet die Erstellung der hauseigenen Kapitalmarktmeinung und -publikationen sowie deren Präsentation in Veranstaltungen, Öffentlichkeit und Medien. Im Zuge der Fusion der beiden Bankhäuser CONRAD HINRICH DONNER in Hamburg und Reuschel & Co. Privatbankiers in München im Jahr 2010 führte Carsten Mumm die beiden Asset-
Management-Einheiten zusammen. In der Folge erfolgte unter seiner Verantwortung die zunehmende Ausrichtung der Asset-Management Strategien auf die Bedürfnisse institutioneller Kunden. Seit 2021 ist Carsten Mumm Mitglied im Ausschuss für Wirtschafts- und Währungspolitik des Bundesverbandes deutscher Banken.