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US-PRÄSIDENTENWAHL: DAS POLITISCHE GROSSEREIGNIS DES JAHRES

Carsten Mumm, Chefvolkswirt bei DONNER & REUSCHEL
Derzeit sieht es gemäß Umfragen, Wettbüro-Statistiken, Experten-Vorhersagen und Modellrechnungen nach einem Sieg für Joe Biden aus. Allerdings ist der Wahlausgang deswegen noch lange nicht entschieden. Gerade Donald Trump ist zuzutrauen, in kurzer Zeit auch noch einmal deutlich aufzuholen, vor allem in den besonders relevanten Swing States. Eine Grundvoraussetzung dafür wäre eine weiter positive Entwicklung an den Aktienmärkten, Fortschritte im Zuge der konjunkturellen Erholung und ein sich weiter stabilisierender Arbeitsmarkt. Wenn auch kein deutlicher Sieg Trumps wahrscheinlich ist, ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit offenem Ausgang und gegebenenfalls juristischen Auseinandersetzungen zur Ermittlung des Siegers ist möglich.
 
Die Dynamik der US-Wirtschaft wird derzeit vor allem von der Erholung nach der Corona-Rezession, der ultra- expansiven Geldpolitik und den fiskalischen Unterstützungsmaßnahmen geprägt. Daher spielt der Wahlausgang für die konjunkturellen Perspektiven kurzfristig keine überragende Rolle. Sollten die Demokraten gewinnen und sich auch die Mehrheit in beiden Kammern des Kongressessichern, wären allerdings umfangreichere staatliche Investitionsprogramme als unter einer Präsidentschaft Trumps zu erwarten – einerseits im Zuge eines weiteren Konjunkturpaketes, andererseits durch massive Investitionen in die Infrastruktur, die Energiewende und das Gesundheitssystem. Sollten die Republikaner die Mehrheit im Senat verteidigen, hätte ein neuer Präsident Biden allerdings erheblich geringeren Budgetspielraum für konjunkturstimulierende Maßnahmen. 
 
Auch Joe Biden steht für eine protektionistische Außenhandels- und Wirtschaftspolitik getreu dem Motto „Buy American“. Wie Trump wird er versuchen, die USA im Wettlauf um die wirtschaftliche und technologische Vormachtstellung in der Welt so gut wie möglich zu positionieren – auch durch Schwächung der chinesischen Volkswirtschaft. Es ist allerdings davon auszugehen, dass Biden gegenüber Europa einen moderateren Kurs fahren und gegebenenfalls versuchen wird, durch Allianzen und unter Einbeziehung internationaler Organisationen gemeinsam eine bessere Position gegenüber China zu erreichen. 
 
Sollte hingegen Donald Trump weiterhin US-Präsident bleiben, würden die Grundpfeiler seiner politischen Strategie kaum verändert werden. Entsprechend gibt es von Seiten der Republikaner auch kein neues Wahlprogramm. Vielmehr wird auf das Manuskript aus dem 2016er-Wahlkampf und vor allem auf die zwischenzeitlich erzielten Erfolge verwiesen. Weitere Steuersenkungen und Deregulierungsbemühungen brächten generell positive Effekte für die Aktienmärkte.  
 
Eine erste Reaktion auf einen Sieg der Demokraten wäre hingegen vermutlich negativ, weil eine Rücknahme der Steuersenkungen der Trump-Ära zu erwarten wäre und in Bereichen wie der Finanz- und Energiebranche sowie bei den großen Digitalunternehmen mit einem erhöhten Regulierungsdruck zu rechnen wäre. Allerdings würden durch die von den Demokraten geplanten Investitionen in Infrastruktur, neue Energien und das Gesundheitswesen sowie durch die Unterstützung des privaten Konsums zumindest einige Branchen erheblich unterstützt.