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GLOBALE KONJUNKTUR: WARTEN AUF DEN START DER ERHOLUNG

Carsten Mumm, Chefvolkswirt bei DONNER & REUSCHEL
Im dritten Quartal 2020 wurden Volkswirte von der Dynamik der konjunkturellen Erholung nach dem ersten, weltweit nahezu zeitgleichen Lockdown überrascht: Die Eurozone verzeichnete ein Wachstum des Bruttoinlandsproduktes (BIP) in Höhe von 12,4 Prozent im Vergleich zum Vorquartal. Die seit Herbst in vielen europäischen Staaten implementierten erneuten Shutdown-Maßnahmen führten jedoch zu einem Rückschlag im vierten Quartal mit einem BIP-Wachstum in Höhe von -0,7 Prozent. Deutschlands Wirtschaft stagnierte im vierten Quartal, wird aber zum Jahresbeginn 2021 erneut ein negatives Wachstum zu verzeichnen haben.

Derzeit sind zwar viele Dienstleistungssektoren heftig von den andauernden Kontaktbeschränkungen betroffen. Anders als im Frühjahr 2020 aber produziert die Industrie fast ungestört, denn Lieferketten wurden bisher kaum unterbrochen. Vor allem profitieren exportorientierte Volkswirtschaften von der deutlich erholten chinesischen Nachfrage. China konnte als einzige große Volkswirtschaft im Gesamtjahr 2020 ein positives Wirtschaftswachstum in Höhe von 2,3 Prozent verzeichnen, während global eine tiefe Rezession mit einem Einbruch der Wirtschaft um voraussichtlich knapp vier Prozent verbucht werden musste. Gemessen am BIP konnte der Abstand Chinas zu den USA im Zuge der Krise somit deutlich verringert werden.

China wird auch in den kommenden Monaten die Lokomotive der Weltwirtschaft bleiben. Gemäß Schätzungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) ist im laufenden Jahr mit einem BIP-Wachstum in Höhe von über acht Prozent zu rechnen. Für die Weltwirtschaft wird mit 5,5 Prozent ebenfalls ein deutlich überdurchschnittliches Plus erwartet. Die Eurozone dürfte um immerhin gut vier, Deutschland um etwa 3,5 und die USA um fünf Prozent zulegen.

Diese Wachstumsprognosen stehen unter der Annahme, dass der belastende Einfluss der Covid-19-Pandemie ab dem zweiten Quartal deutlich abnehmen wird und die derzeitigen Lockdowns nicht noch auf Teile der Industrie ausgeweitet werden müssen. Sollte jedoch auch die Industrieproduktion kurzfristig einen Rückschlag erleiden, würde das Minus im ersten Quartal stärker ausfallen, als derzeit erwartet. Sofern die bestehenden Restriktionen für einige Dienstleistungsbereiche, beispielsweise aus Furcht vor der Verbreitung ansteckenderer Corona-Mutationen, auch im Sommerhalbjahr noch notwendig wären, würde die breite Erholung der Volkswirtschaften erst verspätet starten können. In beiden Fällen müssten sowohl die volkswirtschaftlichen Projektionen als auch die erwarteten Unternehmensgewinne für das Jahr 2021 nach unten revidiert werden.

Auch wenn also noch nicht sicher ist, ab wann und auf welchem Niveau die wirtschaftliche Erholung starten wird, bleibt - insbesondere aufgrund der Erfahrungen aus dem dritten Quartal 2020 – die Erwartung eines deutlich positiven Wachstums im Gesamtjahr 2021 bestehen. Sollte es in diesem Jahr coronabedingt geringer ausfallen als bisher prognostiziert, wäre für 2022 mit einer umso höheren wirtschaftlichen Dynamik zu rechnen. Davon sollten vor allem auch Schwellenländer (exklusive China) profitieren, die von der Corona-Krise teilweise besonders heftig getroffen wurden. So trauen die Experten des IWF beispielsweise Indien nach einem Einbruch der Wirtschaft um knapp acht Prozent im vergangenen Jahr für 2021 ein Plus in Höhe von 11,5 Prozent und 2022 in Höhe von knapp sieben Prozent zu.