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TITELSTORY

ES IST ZEIT FÜR DIE REFORM
DER PRIVATEN ALTERSVORSORGE  

Mehr als zwei Jahrzehnte nach Einführung der Riester-Rente ist die Reform der privaten Altersvorsorge
überfällig. Seit Jahren steht die Riester-Rente in der Kritik. Versagt haben hier jedoch nicht die Anbieter,
also Banken, Fondsgesellschaften und Versicherer, auch wenn es einige teure Produkte am Markt gibt.
Der Fehler liegt vielmehr in der Architektur des Produkts, die der Staat vorgegeben hat. 


​Die vorgeschriebene Garantie von 100 Prozent des eingezahlten Kapitals hat die Anbieter in der Niedrigzinsphase gezwungen, größtenteils in kaum verzinste Anleihen zu investieren, um die Garantie erfüllen zu können. Das schlug auf die Rendite und die Verbreitung in der Bevölkerung. Nun kommen immer mehr Riester-Verträge in die Auszahlphase. Vom angesparten Kapital müssen mindestens 70 Prozent als lebenslange Rente ausgezahlt werden. Diese Verrentung ist teuer und schmälert die Rendite der Anleger zusätzlich. Das hilft zwar den Lebensversicherern, schadet aber den Sparern, die von Flexibilität in der Auszahlphase profitieren würden.

Die im vergangenen Jahr eingesetzte „Fokusgruppe private Altersvorsorge“, in der ich mitarbeiten durfte, empfiehlt den Verzicht auf die Garantie- und Verrentungspflicht. Zugleich will sie Fonds und andere geeignete Anlagen wie zum Beispiel Aktien für ein förderfähiges Altersvorsorgedepot zulassen. Das ist revolutionär. Das bisherige Mantra, dass
Altersvorsorge eine Leibrente umfassen muss und dass Aktiensparen zwar Vermögensbildung, aber keine Alters­vorsorge ist, gilt nicht mehr.

Das Bundesfinanzministerium arbeitet seit einem Jahr an einem Gesetzesentwurf zur Reform der privaten Altersvorsorge, der sich an den Empfehlungen der Fokusgruppe orientiert. Zu viel Zeit sollte es sich nicht mehr lassen, damit der Paradigmenwechsel noch vor der Bundestagswahl 2025 umgesetzt werden kann. Es wäre fatal, sollte wieder eine Legislaturperiode ergebnislos verstreichen – auch, weil dann die Diskussionen um einen Staatsfonds in der privaten Säule erneut aufflammen werden.
Denn ausgerechnet die CDU, früher die Partei der sozialen Marktwirtschaft, die an der nächsten Regierung beteiligt sein dürfte, plant einen staatlichen Eingriff in den Markt als Alternative zur Riester-Rente. In ihrem Grundsatzprogramm hat sie eine verpflichtende private Altersvorsorge festgeschrieben. Das impliziert einen Staatsfonds als Auffanglösung für alle, die untätig bleiben, obwohl sie gesetzlich gezwungen sein werden, in ein Vorsorgeprodukt zu investieren. Auch die Grünen wollen einen Staatsfonds in der dritten Säule. Ihre wahre Absicht ist die Umgehung der Finanzvertriebe, also der Banken und Anlageberater, und damit ein Angriff auf die Provisionsberatung.

Die Staatsfondsbefürworter behaupten, der Staat werde im privaten Markt für mehr Wettbewerb und damit sinkende Kosten sorgen. Aber genau das Gegenteil wäre der Fall. Der Staat hat anders als private Anbieter weder Marketing- noch Vertriebskosten, wenn die Verbreitung über die Arbeitgeber erfolgen soll. Und die Personalkosten trägt der Steuerzahler. Der Staat würde in einen privaten Markt als Anbieter eindringen und den Wettbewerb massiv verzerren.

Schließlich birgt ein Staatsfonds hohe Risiken: Brechen die Märkte ein, würden viele Bürger erwarten, dass der Staat Kursverluste ausgleicht. Es ist fraglich, ob die Politik dem öffentlichen Druck standhalten und Eingriffe auf Kosten des Steuerzahlers unterlassen würde. Schließlich wurden die Leute gezwungen und sind gleichzeitig Wähler.

Der BVI wie auch die Mehrheit der Fokusgruppe lehnen einen Staatsfonds in der dritten Säule ab. Wir fordern, dass verpflichtende Beitragszahlungen und staatlich vorgegebene Lösungen in der ersten Säule bleiben. Auch in Schweden, das oft als Vorbild angeführt wird, ist die kapitalgedeckte
Zusatzrente in der gesetzlichen Altersvorsorge angesiedelt.
Zudem hat die Bundesregierung mit dem Generationenkapital erst vor wenigen Wochen eine staatlich organisierte kapitalgedeckte Komponente in der gesetzlichen Rentenversicherung beschlossen. Ein zweites staatliches Format ist nicht nur überflüssig, sondern schädlich.


Stand bei Redaktionsschluss Anfang August

"Eine rasche Reform der privaten Altersvorsorge, wie sie die  Fokusgruppe empfiehlt, ist daher unerlässlich. Sie ermöglicht Sparern höhere Renditen und mehr Entscheidungsfreiheit. "