MARKTKOMMENTAR

DIE DOPPELTE HERAUSFORDERUNG FÜR DEUTSCHLAND 

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Für die deutsche Wirtschaft begann das Jahr 2024, wie das Jahr 2023 endete: mit einer Schrumpfung. Nach einem mit - 0,3 Prozent „negativen Wachstum“ im Gesamtjahr 2023 hat auch das erste Quartal 2024 erneut ein sinkendes Bruttoinlandsprodukt mit sich gebracht. Vor allem die Industrie leidet unter der anhaltenden globalen Nachfrageschwäche. Gemäß einer Umfrage des Ifo-Instituts berichteten rund ein Drittel aller befragten Unternehmen von einem ausgeprägten Auftragsmangel. In einzelnen Branchen wie der Herstellung von Druckerzeugnissen oder in der Metallerzeugung und -verarbeitung sind es sogar bis zu zwei Drittel. Zunehmend spüren zudem konsumnahe Bereiche wie der Handel die Zurückhaltung privater Konsumenten. Viele Menschen sparen vermehrt angesichts deutlich gestiegener Preise sowie allgegenwärtiger wirtschaftlicher und geopolitischer Unsicherheiten und verschieben größere Anschaffungen.

In den kommenden Monaten dürfte sich die Wachstumsdynamik gleichwohl leicht erholen. In der Industrie wird sich der Lagerzyklus drehen. In den vergangenen Monaten haben viele Unternehmen ihre Lager geräumt, die während der Lieferkettenengpässe der Jahre 2021 und 2022 aufgefüllt worden waren. Dadurch ist die Produktion teilweise noch stärker eingebrochen als die Nachfrage. Mit der Aussicht auf eine konjunkturelle Stabilisierung im weiteren Jahresverlauf dürften jetzt einige Unternehmen anfangen, ihre Lagerhaltung wieder auszubauen. Zudem ist mit einer steigenden Konsumgüternachfrage zu rechnen, denn die derzeit hohen Lohnsteigerungen sorgen zusammen mit weiter sinkenden Inflationsraten für einen Anstieg der Reallöhne.

Positiv ist, dass die Teuerung kurzfristig weiter nachgeben wird. Selbst die deutlich gestiegenen Container-Frachtraten aufgrund der Angriffe der Huthi-Rebellen im Roten Meer sowie die Erhöhung der CO2-Preise und die Wiederanhebung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie in Deutschland wurden im Januar durch die ausgeprägte Nachfrageschwäche überkompensiert: Die Inflation ging im März auf 2,2 Prozent zurück. Damit dürfte die Europäische Zentralbank die Möglichkeit erhalten, im zweiten Quartal eine erste Leitzinssenkung umzusetzen. Auch das würde die Stimmung bei Unternehmen und Verbrauchern etwas aufhellen.
Allerdings wird der bevorstehende Aufschwung nur schwach ausfallen. Denn das Wachstumspotenzial der deutschen Volkswirtschaft wird durch strukturelle Belastungsfaktoren ausgebremst. Relevant sind insbesondere hohe Energie- und Lohnnebenkosten, der zunehmende Arbeitskräftemangel, teils unzureichende Infrastruktur sowie die Bürokratie. Der Standort Deutschland verliert dadurch im internationalen Vergleich immer stärker an Wettbewerbsfähigkeit. Immerhin ist diese Erkenntnis mittlerweile an entscheidenden Stellen angekommen. Und viele Probleme könnten selbst behoben werden.

Wichtig sind schnelle und wegweisende Maßnahmen: vonseiten der Politik zur Verbesserung der Rahmenbedingungen. Von Unternehmen, um attraktiver für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen zu werden und die Fortschritte der Digitalisierung inklusive der Künstlichen Intelligenz stärker zu nutzen. Und von allen, indem die Gesellschaft weiterhin weltoffen und technologieaffin bleibt. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass die Veränderungsbereitschaft mit zunehmendem Druck steigt. Gerade Demokratie und Marktwirtschaft können dann eine unerwartet schnelle und fundamentale Transformation vollbringen, wie sie die deutsche Wirtschaft jetzt dringend benötigt.